Neue EU-Regeln für politische Online-Wahlwerbung

Mit dem Inkrafttreten der europäischen Verordnung über Transparenz und Targeting politischer Werbung (TTPW-VO) am 10.10.2025 gibt es ab sofort neue EU-Regeln für politische Online-Wahlwerbung. Ziel ist es, demokratische Wahlen besser vor Manipulation zu schützen und die freie Meinungsbildung der Bürger im digitalen Raum zu sichern. Die Verordnung richtet sich unmittelbar an alle Akteure, die politische Werbung im Internet betreiben oder ermöglichen. Darunter fallen Parteien, Kandidaten, Verbände, Stiftungen, Agenturen und Plattformbetreiber. Zugleich wird die Durchsetzung der neuen Vorschriften in die Hände der Datenschutzaufsichtsbehörden gelegt.

Politische Werbung

Digitale Wahlwerbung hat sich längst zu einem zentralen Instrument politischer Kommunikation entwickelt. Nach Art. 3 Nr. 2 TTPW-VO gilt als politische Werbung die Ausarbeitung, Platzierung, Förderung, Veröffentlichung, Zustellung oder Verbreitung einer Botschaft, die in der Regel gegen Entgelt erfolgt, sofern dies durch oder für einen politischen Akteur erfolgt oder dazu geeignet und darauf ausgerichtet ist, das Ergebnis einer Wahl oder einen Rechtsetzungs- bzw. Regulierungsprozess zu beeinflussen.

Nicht als politische Werbung zählen laut eines Q&As der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI) beispielsweise Mitteilungen aus amtlichen Quellen, die lediglich die Organisation von Wahlen betreffen. Auch nicht erfasst sei etwa die Vorstellung von Kandidaten in öffentlichen Medien, wenn dies gesetzlich explizit vorgesehen ist und unter Achtung der Gleichbehandlung unentgeltlich erfolgt.

Manipulationsrisiken durch digitales Targeting

Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube oder X ermöglichen es politischen Akteuren, Botschaften gezielt an bestimmte Bevölkerungsgruppen auszuspielen. Grundlage dafür sind Targeting-Verfahren, die personenbezogene Daten aus verschiedensten Quellen verknüpfen und auswerten. Mithilfe von Tracking- und Analysetechnologien werden Nutzer dabei in Interessenkategorien, wie etwa Demografie, politische Ausrichtung oder Vorlieben, eingeordnet.

Diese datengetriebene Ansprache birgt laut einer Pressemitteilung der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für NRW (LDI NRW) erhebliche Risiken für die demokratische Willensbildung und freie Meinungsäußerung. Sie könne dazu führen, dass Personen nur noch Inhalte sehen, die ihre Meinung validieren oder emotional polarisieren. Dieses Phänomen wird teilweise als „Filterblasen-Effekt“ bezeichnet.

Zulässigkeit politischer Werbung mit Targeting

Die Anfang letzten Jahres verabschiedete TTPW-Verordnung soll dem entgegenwirken, indem sie den Einsatz personalisierter politischer Werbung strengen rechtlichen Grenzen unterwirft und Transparenzpflichten etabliert.

Kern der neuen Regelung ist Art. 18 TTPW-VO, der das Targeting und die Anzeigenschaltung politischer Werbung im Internet nur noch unter engen Voraussetzungen erlaubt. Entscheidend ist, dass personenbezogene Daten für diesen Zweck ausschließlich auf Grundlage einer ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person verarbeitet werden dürfen. Außerdem müssen die Daten direkt bei der Person erhoben worden sein.

Hinzu kommt ein weitgehendes Verbot des Profilings auf Basis besonderer Datenkategorien. Dazu gehören etwa politische Meinungen und Gesundheitsdaten. Ausnahmen bestehen laut der LDI NRW in eng begrenzten Fällen, etwa für parteiinterne Mitteilungen, Stiftungen, Gewerkschaften oder gemeinnützige Organisationen, die sich mit Informationsangeboten ausschließlich an ihre (ehemaligen) Mitglieder oder Newsletter-Abonnementen wenden.

Neue Pflichten zur Dokumentation und Transparenz

Neben der Zulässigkeit des Targetings legt Art. 19 TTPW-VO umfangreiche organisatorische und dokumentarische Pflichten fest. Verantwortliche müssen zum einen durch Protokolle nachweisen können, auf welcher Grundlage sie Targeting einsetzen, welche Datenkategorien verwendet werden und welche Zielgruppenadressierung erfolgt. Sie sind außerdem verpflichtet, interne Verfahren zu definieren, in denen die Verantwortlichkeiten, die technischen Schutzmaßnahmen und die Kriterien für den Einsatz von Targeting festgelegt sind.

Darüber hinaus müssen betroffene Personen umfassend darüber informiert werden. Im Übrigen bestehen auch Identifizierungs- und Kennzeichnungspflichten. Weiterhin soll ein EU-Archiv für politische Onlinewerbung geschaffen werden. Außerdem dürfen Verantwortliche Werbung nicht an Personen richten, bei denen sie davon ausgehen müssen, dass sie das Wahlalter frühestens in einem Jahr erreichen werden. Zuletzt sind auch politische Werbungen aus Drittstaaten ab drei Monaten vor einer betreffenden Wahl nicht mehr gestattet.

Zuständigkeit der Datenschutzaufsicht

Die Kontrolle der Einhaltung dieser neuen Regeln obliegt den Datenschutzaufsichtsbehörden. Sie sind befugt, Beschwerden zu prüfen Untersuchungen einzuleiten und Sanktionen zu verhängen.  Bußgelder können bis zu 20 Millionen Euro oder bei Unternehmen bis zu 4 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen. In Deutschland richtet sich die Zuständigkeit nach dem Sitz des jeweiligen Verantwortlichen. Für Akteure mit Sitz in Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise die LDI NRW zuständig. Für Meldungen in Berlin stellt die BlnBDI außerdem ein Beschwerdeformular zur Verfügung. Einzelheiten zur Umsetzung in Deutschland sollen durch das Politische-Werbung-Transparenz-Gesetz (PWTG) festgelegt werden, dass sich aktuell im Gesetzgebungsprozess befindet.

Fazit

Neue EU-Regeln für politische Online-Wahlwerbung markieren einen weiteren Schritt in der europäischen Digitalregulierung, der über den Datenschutz hinausweist. Für Unternehmen, insbesondere solche, die politisches Marketing betreiben, bedeutet dies, zukünftig solche Formen datengetriebener Werbung sorgfältig rechtlich zu prüfen, zu dokumentieren und transparent zu gestalten. Verstöße können nicht nur aufsichtsrechtlich sanktioniert werden, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit dauerhaft beschädigen.