OLG München: E-Mail-Dienst ist kein Anbieter nach § 21 TDDDG

Unternehmen, die mit rufschädigenden Inhalten im Internet konfrontiert sind, wollen regelmäßig, die Urheber identifizieren und zur Verantwortung ziehen. Bewertungsplattformen speichern dabei oftmals nur wenige Nutzerdaten, sodass Geschädigte auf die bei der Registrierung verwendeten E-Mail-Adressen zurückgreifen müssen. Ob E-Mail-Provider dann verpflichtet sind, weitere Bestandsdaten wie Name oder Anschrift herauszugeben, hat nun das Oberlandesgericht (OLG) München entschieden. Abschließend kommt das OLG München mit Beschluss vom 26.08.2025 (18 W 677/25 Pre e) zum Ergebnis, dass ein E-Mail-Dienst kein Anbieter nach § 21 Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) ist und damit auch kein Auskunftsanspruch besteht.

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Sachverhalt zur Entscheidung

Ausgangspunkt des Verfahrens war eine Bewertungsplattform, auf der Arbeitnehmer, Bewerber und Auszubildende anonym Arbeitgeber beurteilen können. Laut der Kanzlei LHR soll es sich hierbei um die Webseite Kununu handeln. Innerhalb kurzer Zeit wurden dort mehrere kritische Einträge über ein Automobilunternehmen veröffentlicht. Neben unzutreffenden Behauptungen seien sie auch geeignet, das Unternehmensimage und das Vertrauen von Bewerbern und Geschäftspartnern zu beschädigen. Teilweise soll es sich auch um strafrechtlich relevante Inhalte im Sinne der §§ 185–187 Strafgesetzbuch (StGB) gehandelt haben.

Das Unternehmen wehrte sich zunächst erfolgreich gegen die Plattformbetreiberin selbst. Im Wege eines gerichtlichen Verfahrens erhielt es Auskunft über die zu den Bewertungen hinterlegten E-Mail-Adressen. Mangels daraus hervorgehender Informationen über Name und Anschrift, beantragte das Unternehmen im Anschluss Auskunft beim E-Mail-Anbieter, hier wohl Gmail (Laut Vorinstanz „G…mail“).

Rechtsgrundlage für die Auskunft: § 21 TDDDG

Kernpunkt der Entscheidung war die Auslegung von § 21 TDDDG, der Auskunftsansprüche gegen Anbieter digitaler Dienste regelt. Nach Abs. 2 sind Anbieter dazu verpflichtet, Auskunft über vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erforderlich ist.

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDDDG ist ein Anbieter von digitalen Diensten jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde digitale Dienste erbringt, an der Erbringung mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden digitalen Diensten vermittelt. Beispielsweise fallen hierunter Bewertungsplattformen, soziale Netzwerke oder Foren.

Entscheidung des LG München als Vorinstanz

Das Landgericht (LG) München I stellte zunächst klar, dass der betroffene E-Mail-Anbieter unter § 21 TDDDG fällt. E-Mail-Dienste dienten ihrer Natur nach der elektronischen Übermittlung von Nachrichten. Die monetäre Komponente ergebe sich daraus, dass „sämtliche E-Mail-Dienste ihre Leistungen entweder gegen monetäre Bezahlung erbringen […] oder aber die Nutzer den Dienst dadurch bezahlen, dass sie ihre Daten dem Betreiber zum Zwecke der Auswertung […] zur Verfügung stellen“.

Zudem entschied das Gericht, dass § 21 TDDDG auch greift, wenn die in Rede stehende Äußerung nicht über den Dienst des Anbieters verbreitet wurde. Eine solche enge Auslegung sei nicht geboten, da andernfalls der gesetzliche Auskunftsanspruch in vielen Fällen leerlaufen würde. Hiergegen legte der E-Mail-Dienst Beschwerde beim OLG ein.

Entscheidung des OLG München

Das OLG München wendet sich nun in seinem Beschluss gegen diese Ansicht und entscheidet, dass gegenüber einem E-Mail-Dienst nicht die Pflicht nach § 21 TDDDG besteht Auskunft über personenbezogene Daten seiner Nutzer zu geben.

Abgrenzung zwischen TDDDG und TKG

Zunächst stellte das OLG München klar, dass E-Mail-Anbieter nicht in den Anwendungsbereich des TDDDG fallen. Sie seien vielmehr als interpersonelle Kommunikationsdienste nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) einzuordnen. Auch Chat- oder Telefoniedienste werden regelmäßig hierunter klassifiziert. Diese Differenzierung ist entscheidend, da nur das TDDDG eine Auskunftspflicht gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen kennt.

Das TKG sieht eine Herausgabe von Bestandsdaten ausschließlich gegenüber staatlichen Stellen wie Strafverfolgungsbehörden vor. Für private Rechtsstreitigkeiten, etwa im Zusammenhang mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen, können sich Unternehmen daher nicht auf § 174 TKG stützen.

Unzulässigkeit von „Kettenauskunft“ über Drittdienste

Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung des Gerichts, dass das geltende Recht keine „Kettenauskunft“ vorschreibt. Es genüge nicht, dass eine Plattform wie Kununu eine E-Mail-Adresse herausgibt und der betroffene Dritte anschließend den E-Mail-Provider auf weitere Daten in Anspruch nimmt. Nur derjenige Dienstanbieter, dessen Angebot unmittelbar zur Rechtsverletzung genutzt wurde, sei nach dem TDDDG Auskunftspflichtig. Da die rechtsverletzenden Inhalte nicht über den E-Mail-Dienst selbst, sondern über den Bewertungsdienst verbreitet worden seien, könne der E-Mail-Dienst nicht zur Preisgabe weiterer Informationen herangezogen werden.

Insofern ergibt sich das Problem, dass wenn die Plattform selbst nur begrenzte Informationen bereithält, die Identität des Verfassers oft unbekannt bleibt. Zivilrechtliche Ansprüche wegen Verleumdung oder unwahrer Behauptungen lassen sich dann kaum durchsetzen. Das OLG München sieht die hierdurch entstehende Schutzlücke, meint allerdings, dass diese nicht durch eine richterrechtliche Ausweitung des Auskunftsanspruchs geschlossen werden könne. Vielmehr sei es Sache des Gesetzgebers, die Rahmenbedingungen für Auskunftspflichten klarer zu regeln. Tatsächlich verweist das OLG auf vorgesehene Änderungen, die eine Ausweitung der Auskunftsmöglichkeiten, insbesondere über IP-Adressen, vorsehen.

Bedeutung für Unternehmen

Für Unternehmen bedeutet die Entscheidung, dass sie im Fall negativer Online-Bewertungen bislang nicht darauf hoffen können, über den Umweg eines E-Mail-Providers an die Identität des Verfassers zu gelangen. Für zivilrechtliche Unterlassungs- oder Schadensersatzklagen bleibt der Handlungsspielraum vorerst eingeschränkt. Aufgrund der rechtlichen Relevanz des Beschlusses hat das OLG die Rechtsbeschwerde zugelassen, sodass eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof folgen könnte.

Fazit

Das OLG München hat entschieden, dass ein E-Mail-Dienst kein Anbieter nach § 21 TDDDG ist und hat damit die Pflichten entsprechender Provider klar begrenzt. So unbefriedigend dies aus Sicht von Betroffenen auch erscheinen mag, betont das Gericht zu Recht, dass derartige Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit und den Datenschutz allein dem Gesetzgeber vorbehalten sind.