Ein kleiner Fehler im Bewerbungsverfahren der Quirin-Bank führte zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 04.09.2025 (C‑655/23), nachdem ein DSGVO-Unterlassungsanspruch nur in Verbindung mit einer geforderten Löschung besteht. Eine HR-Mitarbeiterin versandte über Xing eine vertrauliche Nachricht zum Gehaltswunsch eines Bewerbers versehentlich an eine falsche Adresse. Der Vorfall führte nicht nur zu einem Reputationsschaden für den Betroffenen, sondern löste auch ein komplexes juristisches Verfahren über Unterlassungsansprüche und Schadensersatz nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) aus.

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Zugrundeliegender Sachverhalt

Dem Urteil liegt ein Fall zugrunde, indem eine HR-Angestellte einem Bewerber kontaktieren wollte, um ihm mitzuteilen, dass sein Gehaltswunsch zu hoch war. Dabei verschickte die Mitarbeiterin allerdings die Nachricht über Xing nicht an den Kandidaten, sondern an einen seiner ehemaligen Kollegen. Nachdem der Bewerber diese Nachricht von seinem Bekannten weitergeleitet bekommen hatte, machte er geltend, dass ihm durch die Offenlegung seiner Gehaltsvorstellungen und seiner laufenden Bewerbung ein immaterieller Schaden entstanden sei.

Konkret wirft er der Quirin-Bank einen Verstoß gegen Datenschutzrecht vor. Der immaterielle Schaden liege darin, dass eine Person, die sich im beruflichen Umfeld des Betroffenen bewegt, nun Kenntnis über eigentlich der Diskretion unterliegende Umstände seiner beruflichen Situation hat. Auch könne dieser mögliche Konkurrent auf Grund des Wissens nun in potenziellen weiteren Bewerbungsverfahren gegenüber ihm Vorteile haben. Daneben betonte er die Schmach, dass ein Branchenkollege von seinem „Unterliegen“ in Gehaltsverhandlungen erfahren habe. Der Bewerber verlangte deshalb mindestens 2.500 Euro Schadensersatz und Unterlassung weiterer Datenverstöße.

Rechtliches Kernproblem: Unterlassungsanspruch nach DSGVO oder BGB?

Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage, ob der Unterlassungsanspruch des Bewerbers unmittelbar aus dem Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO folgt oder ob dafür weiterhin die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen der §§ 823, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) heranzuziehen sind. Art. 17 DSGVO gibt Betroffenen einen Anspruch auf Löschung unrechtmäßig verarbeiteter Daten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH umfasst dieser Anspruch auch das künftige Unterlassen. Unklar ist jedoch, ob dies auch gilt, wenn, wie im vorliegenden Fall, ausschließlich Unterlassung, nicht aber Löschung gefordert wird.

Je nachdem, welche Anspruchsgrundlage einschlägig ist, unterscheiden sich auch die Anspruchsvoraussetzungen. Beispielsweise erfordert der Unterlassungsanspruch nach dem BGB eine Wiederholungsgefahr, während bislang noch nicht abschließend entschieden war, ob dies auch nach der DSGVO erforderlich ist. Auch die Schadensersatzhöhe könnte unterschiedlich ausfallen.

Bisheriges gerichtliches Verfahren

Während das Landgericht Darmstadt 2020 dem Kläger einen Schadensersatz von 1.000 Euro zusprach, wies das Oberlandesgericht Frankfurt die Ansprüche zurück. Letzteres sah in Art. 17 DSGVO eine ausreichende Grundlage. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah Klärungsbedarf hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen und legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat nun entschieden, dass ein DSGVO-Unterlassungsanspruch nur in Verbindung mit einer geforderten Löschung besteht. Das bedeutet, dass Betroffene auch die Löschung der personenbezogenen Daten einfordern müssen, wenn sie ein Unterlassungsbegehren nach Art. 17 DSGVO durchsetzen wollen. Tut er dies nicht, muss er sich den allgemeinen Regeln des BGB bedienen. Daraus folgt auch, dass wenn keine Löschung gefordert wird, eine Wiederholungsgefahr aufgrund der zivilrechtlichen Regeln vorliegen muss.

Trotzdem meint der EuGH, dass diese Wertung keine Konsequenzen für die Schadenshöhe haben dürfe. Das ergebe sich aus dem Gesetzeszweck von Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der lediglich eine Ausgleichsfunktion habe. Ein etwaiges Verschulden habe deshalb keine Auswirkungen. Im Übrigen konkretisiert der EuGH die Anforderungen an den Beweis für das Vorliegen eines immateriellen Schadens nicht weiter. Der Kläger müsse nachweisen, dass er seine negativen Gefühle tatsächlich empfunden hat.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH in der Sache Quirin-Bank löst eine praxisrelevante Meinungsverschiedenheit über den Unterlassungsanspruch nach der DSGVO. Hiernach können Unterlassungsansprüche nach der DSGVO nur in Kombination mit einer Löschungsforderung geltend gemacht werden. An der Schadenshöhe oder der fehlenden Voraussetzung der Wiederholungsgefahr ändert sich allerdings nichts.