Der Deutsche Anwaltverein (DAV) mit seiner Initiativ-Stellungnahme vom Juli 2025 eine detaillierte Orientierungshilfe zum KI-Einsatz in Kanzleien vor. Diese bietet Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine wertvolle Anleitung für den berufsrechtskonformen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
DAV-Stellungnahme als praxisnahe Orientierungshilfe
Bereits im Dezember 2024 veröffentlichte die BRAK einen Leitfaden zum berufsrechtskonformen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Kanzleien. Aufbauend darauf legt der Deutsche Anwaltverein (DAV) im Juli 2025 seine Initiativ-Stellungnahme Nr. 32/2025 vor. Ziel des DAV-Papiers ist es, zentrale Anwendungsfelder, Chancen und Herausforderungen von KI im anwaltlichen Alltag übersichtlich darzustellen. Besonderer Fokus liegt auf berufsrechtlichen (z. B. Verschwiegenheitspflicht, sorgfältige Berufsausübung) und datenschutzrechtlichen Anforderungen. Auch die Bedeutung der EU-KI-Verordnung sowie urheberrechtliche Aspekte werden thematisiert. Die Stellungnahme will eine praxisnahe Orientierungshilfe für den sicheren und verantwortungsvollen KI-Einsatz in der Anwaltschaft bieten und zur weiteren Diskussion anregen.
Potenziale der KI in der Rechtsberatung
Der DAV unterstreicht anhand von Use Cases die immensen Effizienzgewinne, die KI-Tools, insbesondere große Sprachmodelle (LLMs) wie ChatGPT oder Claude, in der anwaltlichen Praxis ermöglichen. Solche Anwendungen können bei der intelligenten Recherche juristischer und nicht-juristischer Texte, der Dokumentenanalyse in Due-Diligence-Prozessen, dem Entwurf juristischer Texte wie Standardverträge oder Testamente, der Zusammenfassung komplexer Inhalte sowie der Transkription und Protokollierung von Gesprächen maßgeblich unterstützen. Auch im Marketing und der Kommunikation sowie bei der Entwicklung kanzleieigener KI-Systeme oder im Kanzleialltag durch Übersetzungstools und Chatbots bietet KI zahlreiche Vorteile, die zu erheblicher Zeitersparnis und verbesserter Dokumentation führen können.
Berufsrechtliche Pflichten und Risiken
Trotz dieser Vorteile warnt der DAV eindringlich vor Risiken wie dem „Halluzinieren“ falscher Informationen oder „Bias“ durch unzureichendes Trainingsmaterial. KI-Modelle verfügen nicht über echtes Weltwissen, sondern erzeugen Antworten durch statistische Vorhersagen. Daher bleibe eine stets gewissenhafte Überprüfung der KI-Ergebnisse durch den Anwalt unerlässlich, um Fehler und Haftungsrisiken zu vermeiden. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte handeln nur gewissenhaft im Sinne von § 43 BRAO, wenn sie die KI-Ergebnisse kritisch prüfen, es sei denn, eine solche Überprüfung ist im Mandatsvertrag explizit ausgeschlossen. Dabei seien diese nach Plausibilität, Überzeugungskraft, der Beachtung juristischer Methodenlehre und des eigenen Wissens zu beurteilen. Auf ein „Grundvertrauen“ wie in erfahrene Mitarbeitende könne in KI-generierte Produkte (noch) nicht gesetzt werden. Laut DAV bestehe jedoch keine berufsrechtliche Verpflichtung zum Einsatz von KI-Tools, obwohl sie Effizienzgewinne bringen können.
Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht
Ein zentraler Punkt der Stellungnahme ist die Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO und des strafrechtlichen Offenbarungsverbots nach § 203 StGB. Der DAV stellt klar, dass der Einsatz externer Cloud- und KI-Dienstleister unter Einhaltung bestimmter Bedingungen – wie einer schriftlichen Verschwiegenheitsverpflichtung und dem Prinzip der Erforderlichkeit – grundsätzlich zulässig ist. Dabei wird die pauschale Forderung nach aufwendiger Verschlüsselung, die die Dienstleistungsnutzung unzumutbar erschweren würde, als praxisfern abgelehnt. Für öffentlich zugängliche KI-Anwendungen, wie frei verfügbare Übersetzungstools, ist hingegen eine vollständige Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Berufsgeheimnisse zwingend erforderlich.
Datenschutzrechtliche Bedenken
Auch datenschutzrechtliche Bedenken lassen sich laut DAV bewältigen. Die bekannten Rechtsgrundlagen der DSGVO, insbesondere Art. 6 und Art. 9, bieten eine solide Basis für die Datenverarbeitung in KI-Systemen. Es ist jedoch entscheidend, die Datenflüsse präzise zu definieren und zu dokumentieren, die Notwendigkeit der Anonymisierung oder Pseudonymisierung zu prüfen und auf eine sorgfältige Auswahl der Dienstleister gemäß Art. 28 Abs. 1 DSGVO zu achten. Die Durchführung von Schwellenwertanalysen oder Datenschutz-Folgenabschätzungen (Art. 35 DSGVO) sowie die Beachtung der Transparenzpflichten (Art. 13, 14 DSGVO) und Betroffenenrechte (Art. 15 ff. DSGVO) seien dabei weiterhin unerlässlich.
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Hochrisiko KI und KI-Kompetenz
Der DAV betont zudem, dass die meisten in der Anwaltschaft genutzten KI-Systeme nicht als hochriskant im Sinne der EU-KI-Verordnung eingestuft werden. Die Klassifizierung als hochriskant betrifft laut Anhang III der Verordnung in der Rechtspflege ausschließlich KI-Systeme, die von Justizbehörden eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz ist der Aufbau einer ausreichenden KI-Kompetenz des Kanzleipersonals gemäß Art. 4 KI-VO ein wichtiges und positives Element, das den Umgang mit KI-Systemen sicherer machen wird.
Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisschutz
Bei der Nutzung von KI-Systemen sind urheberrechtliche Vorgaben unerlässlich, insbesondere bei der Bearbeitung oder Zusammenfassung geschützter Fachliteratur. Eine Vervielfältigung, beispielsweise durch das Hochladen von Werken auf KI-Anbieter-Server, muss durch Lizenzen oder gesetzliche Erlaubnisse abgedeckt sein. Das Urheberrecht bildet jedoch kein grundsätzliches Hindernis für den Einsatz von KI-Technologien, sondern steckt lediglich den rechtlichen Rahmen ab. Das Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GeschGehG) wird in der anwaltlichen Praxis weitgehend vom Berufsrecht (§ 43a BRAO, § 2 BORA) und Strafrecht (§ 203 StGB) überlagert, sodass der Schutz durch das Berufsgeheimnis im Vordergrund steht.
Fazit
Das Fazit des DAV ist eindeutig: KI-Technologien bieten erhebliche Potenziale zur Effizienzsteigerung in der Rechtsberatung, doch ihre Nutzung erfordert einen informierten, verantwortungsbewussten und rechtlich fundierten Umgang. Die vom DAV formulierten Empfehlungen gibt der Anwaltschaft nicht nur Orientierung hinsichtlich rechtlicher Rahmenbedingungen, sondern gibt anhand einer Reihe von Use Cases einen Überblick zu den Einsatzmöglichkeiten in der Rechtsberatung. Bei sachgerechter Implementierung sollte KI in der Anwaltschaft daher nicht als rechtliches Risiko, sondern als gestaltbarer Bestandteil moderner anwaltlicher Berufsausübung verstanden werden.
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