Die GEMA hat am 21. Januar 2025 beim Landgericht München eine Klage gegen Suno Inc. eingereicht. Ziel ist dabei die Durchsetzung der Urheberrechte der von der GEMA vertretenen Kunstschaffenden. Sunos KI-Musikgenerator erstellt durch Text-Prompts neue Musikstücke, die in ihrer Melodie, Harmonie und Rhythmus auffallend geschützten Werken ähneln. GEMA fordert eine klare Vergütungsregelung für die Nutzung geschützter Werke durch KI-Systeme.
KI-generierte Musik gleicht geschützten Werken
Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) vertritt die Interessen von Komponistinnen, Textdichter und Verlegerinnen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe und die Urheberrechte ihrer Mitglieder zu schützen, hat die GEMA am 21. Januar 2025 beim Landgericht München Klage gegen die KI-Anbieterin Suno Inc. eingereicht. Sunos Musiktool ermöglicht die Erstellung von Audioinhalten mittels einfacher Eingaben (Prompts).
Die GEMA argumentiert, dass das System Audioinhalte generiert, die stark mit urheberrechtlich geschützten Werken übereinstimmen – insbesondere in Melodie, Harmonie und Rhythmus. Eine Liste der betroffenen Songs wie Mambo No. 5 (Lou Bega) oder Daddy Cool (Frank Farian) sind inklusive Hörbeispielen auf der Website zu finden. GEMA argumentiert weiter, dass KI-generierte Musik keine rein zufälligen Ergebnisse liefere, sondern auf bestehenden Werken basiere. Sunos KI schaffe keine rein neuen Kompositionen, sondern bilde bestehende Muster und Stile direkt nach.
Zuvor: GEMA vs. OpenAI
Dies ist nicht die erste Klage der GEMA gegen KI-Anbieter. Die Verwertungsgesellschaft hatte zuletzt im November eine Musterklage zur Klärung der Vergütungspflicht gegen OpenAI erhoben. Der Unterschied zum Fall Suno: Bei OpenAI ging es nicht um die Erzeugung von Musik, sondern um die Wiedergabe von Songtexten durch ChatGPT. Der Fall Suno geht noch weiter, da hier nicht nur Texte, sondern vollständige Musikstücke betroffen sind.
Urheberrecht durch KI-Songs verletzt?
Die Kernfrage ist: Verletzt KI-generierte Musik bestehende Urheberrechte? Die Ansicht der GEMA ist dies der Fall, da urheberrechtlich eine öffentliche Wiedergabe dieser Werke stattfinde, die lizenzpflichtig ist. KI-Anbieter behaupten dagegen, ihre Systeme würden Musik „neu generieren.“ Wie sind die fast identischen oder sehr ähnlichen Melodien und Arrangements zu bewerten?
Bei KI-generierten Inhalte wie Bilder, Texte, Videos oder Audios haben im Normalfall keinen Urheber. Nach § 2 Abs. 2 UrhG besteht Urheberrechtsschutz, wenn eine persönliche geistige Schöpfung vorliegt. Dies erfordert eine menschliche Gestaltung, die Gedanken oder Gefühle in individueller Weise darstellen. Das ist weder bei Programmierer, Unternehmen, KI-Trainer, Prompter oder der KI selbst. Auch der Urheber der Trainingsdaten ist nicht der Urheber des KI-Inhalts. Zwar werden die Werke als Basis genutzt, doch erbringen sie selbst keine neue persönliche geistige Schöpfung.
Training mit geschützten Werken
Neben der Frage, ob die generierten Inhalte Urheberrechte verstoßen, ist auch die Frage relevant, ob die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke für das Training von KI das Urheberrecht des Künstlers verletzt. Dürfen also KI-Anbieter für das Training ihrer Modelle geschützte Werke verwenden? Das Problem ist, dass KI-Modelle eine Vielzahl an Trainingsdaten brauchen, um daraus Muster zu erkennen und zu lernen. Eine KI kann keine Musik erschaffen, ohne auf bestehende Muster zurückzugreifen. Genau wie LLMs Textinhalte reproduzieren können, könnten Musik-KIs bestehende Melodien und Harmonien nachbilden.
Woher kommen die KI-Trainingsdaten?
Viele KI-Modelle sind nicht transparent in der Herkunft ihrer Trainingsdaten. Quellen für KI-Trainingsdaten können öffentliche Musikdatenbanken (z. B. gemeinfreie Werke), Lizenzierte Musik oder eben Web-Scraping von YouTube, Streaming-Diensten oder Musikarchiven sein.
Suno war in den USA bereits in einen Urheberrechtsstreit mit Recording Industry Association of America (RIAA) involviert. In diesem Zusammenhang äußerte sich Suno zu seiner Trainingsmethode: „Wir trainieren unsere Modelle mit Musik mittlerer und hoher Qualität, die wir im offenen Internet finden können – genau wie Googles Gemini, Microsofts Copilot, Anthropics Claude, OpenAIs ChatGPT und sogar Apples neue Apple Intelligence. Ein Großteil des offenen Internets enthält in der Tat urheberrechtlich geschütztes Material, und ein Teil davon ist im Besitz großer Plattenfirmen.“
Doch Suno sieht darin nichts Illegales. „Lernen ist kein Verletzen. Das war es nie, und das ist es auch jetzt nicht,“ so Suno in der Pressemitteilung weiter. Suno und andere KI-Anbieter berufen sich in den USA auf den sogenannten „Fair-Use Gedanken.“ Dieser besagt, dass Nutzungen, die die Rechteinhaber nicht wesentlich beeinträchtigen, ohne Erlaubnis und ohne Vergütung zulässig sind. Ob dieser Gedanke auch beim Training von KI trägt, wird aktuell in einigen Gerichtsverfahren in den USA geklärt.
Dürfen KI-Anbieter Musik aus dem Internet zum KI-Training verwenden?
OpenAI und Suno versuchen auch in Europa und Deutschland den Gedanken von „Fair Use“ zu nutzen. Zudem berufen sich KI-Anbieter auf das in der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie geschaffene Recht des Text und Data Mining. Diese 2021 eingeführte Neuerung wurde auch in das deutsche Urhebergesetz umgesetzt. Der neue § 44b UrhG erlaubt das Text und Data Mining zu sonstigen, d.h. auch kommerziellen Zwecken. Das Gesetz definiert dies als die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen.
Ob allein auf dieser Grundlage das Training von KI-Modellen und -Systemen zulässig ist, ist aktuell noch nicht rechtlich geklärt. Urheber haben das Recht, einen so genannten Opt-out zu erklären. Damit können Sie erklären, dass ihre Werke nur nach Erwerb einer Lizenz zum Training von KI-Systemen verwendet werden dürfen. Die GEMA hat stellvertretend für ihre Mitglieder diesen Opt-out erklärt. Eine Studie der Initiative Urheberrecht kommt zu dem Schluss, dass die Erlaubnis für Text- und Data-Mining nicht ausreicht. KI-Training mit geschützten Werken stelle demnach eine Urheberrechtsverletzung dar. Bis zur Entscheidung der von GEMA erhobenen Klagen bleibt die Frage der Rechtmäßigkeit offen.
Datenschutz und Urheberrecht verschmelzen
Das Problem betrifft auch den Datenschutz. KI-Modelle können nicht nur Melodien, sondern auch Stimmen und persönliche Stilmerkmale von Künstler*innen nachahmen. Als OpenAI die sprechende Version GPT-4o vorgestellt und demonstriert, warf Hollywood-Star Scarlett Johansson OpenAI vor ihre Stimme nachgeahmt zu haben. Ohne Einwilligung der Schauspielerin. Daraus entsteht die Gefahr von Deepfakes. Wenn eine KI den Gesang oder Stil eines Musikers simuliert, könnte dies eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sein. Dieses schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch „vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein“. Auch die KI-Verordnung sieht eine Kennzeichnungspflicht für Deep Fakes vor, deren Schutzrichtung eher persönlichkeitsrechtlich als urheberrechtlich ist, so das Bundesministerium der Justiz (BMJ) in einer Stellungnahme.
Fazit
Neben GEMA fordert auch der Deutsche Kulturrat klare Regelungen. Sie wollen verhindern, dass KI-Modelle ohne Einwilligung oder Lizenz von Urhebern auf geschützte Inhalte zugreifen und diese mittels der KI vervielfältigen. Das BMJ will prüfen, ob KI-generierte Inhalte einen angepassten urheberrechtlichen Rechtsrahmen durch das europäische Recht bedarf.
Unternehmen sollten bei der Nutzung von KI-generierter Musik vorsichtig sein. Bis es eine gerichtliche oder gesetzliche Klärung gibt, besteht das Risiko, dass KI-Musik urheberrechtlich geschützten Werken zu stark ähnelt und damit eine Rechtsverletzung vorliegt. Um Abmahnungen oder rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, ist es ratsam, auf rechtlich geprüfte, lizenzierte oder nachweislich gemeinfreie Musik zurückzugreifen.