Die Diskussion um sogenannte „Pay or OK“-Modelle ist nicht neu. Seit Jahren stellen große Nachrichtenseiten wie t-online.de oder faz.net ihre Nutzer vor die Wahl einer Einwilligung in umfassendes Tracking oder einem kostenpflichtigen Abo. Nun hat die Datenschutzorganisation noyb laut Mitteilung vom 17.06.2025 wegen jahrelanger Untätigkeit Klage gegen die Datenschutzbehörden von Nordrhein-Westfalen und Hessen eingereicht. Dadurch soll eine Beschwerde vorangetrieben werden, die noyb bereits 2021 erhoben hatte.
Kern des Streits: Freiwilligkeit der Einwilligung
Das zentrale Problem liegt im datenschutzrechtlichen Grundsatz der Freiwilligkeit. Nach Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) muss eine Einwilligung frei, informiert, spezifisch und unmissverständlich erfolgen. Gerade bei „Pay or OK“-Modellen stellt sich jedoch die Frage, ob die Nutzer wirklich eine freie Wahl haben. Laut noyb ist die Statistik klar. Während nur etwa 3 bis 10 Prozent der Menschen tatsächlich personalisierter Werbung zustimmen wollen würden, liege die Einwilligungsrate auf Plattformen mit solchen Modellen bei über 99 Prozent. Dies deute auf eine strukturelle Unfreiheit der Entscheidung hin. In einem Verfahren gegen Meta hat die EU-Kommission deshalb bereits eine Strafe nach dem Digital Markets Act (DMA) verhängt.
Untätigkeit der Behörden
Noyb hatte seine Beschwerden gegen die Nachrichtenseiten t-online.de und faz.net bei den deutschen Datenschutzbehörden bereits im August 2021 eingereicht. Erst über ein Jahr später habe sich die Datenschutzbehörde Nordrhein-Westfalens mit dem Hinweis, sie habe die Beschwerde gar nicht erhalten, gemeldet, obwohl bei noyb eine Empfangsbestätigung aus dem Vorjahr vorliege. Im Mai 2025 sei dann schließlich eine 12-seitige Mitteilung gefolgt, laut der man noch keine Entscheidung treffen könne. Inhaltlich bleibe die Behörde also weiterhin untätig.
Auch die für faz.net zuständige hessische Aufsichtsbehörde zeige sich laut der Pressemitteilung von noyb bislang untätig. Grund hierfür sei, dass der Fall zu komplex wäre und außerdem bald neue Richtlinien folgen könnten. Noyb weist unterdessen daraufhin, dass beispielsweise die niedersächsische Behörde in einem ähnlichen Sachverhalt bereits eine Entscheidung getroffen hat.
Strukturelle Schwäche der Aufsicht
Die Kritik an den Behörden beschränkt sich nicht auf den konkreten Fall. Noyb verweist auf eine eigene Auswertung der EDSA-Statistiken, wonach in Deutschland zwischen 2018 und 2023 nur 1,26 Prozent der eingegangenen Beschwerden in eine Sanktion mündeten. Dies lasse Zweifel daran aufkommen, ob die deutschen Datenschutzbehörden tatsächlich in der Lage oder willens sind, die DSGVO konsequent durchzusetzen. Jonas Breyer, Anwalt des Beschwerdeführers, „fragt sich, was die Behörden mit dem Geld der Steuerzahlenden eigentlich tun“.
Klage vor dem Verwaltungsgericht
Wegen der Untätigkeit hat noyb nun Klage gegen die Datenschutzbehörden erhoben. Mit den vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden und dem Verwaltungsgericht Düsseldorf eingereichten Rechtsmitteln will die Bürgerrechtsorganisation die Behörden zwingen, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Sollte den Klagen stattgegeben werden, müssten die Aufsichtsbehörden über die ursprünglichen Beschwerden endlich entscheiden.
Fazit
Auch wenn das Verfahren noch am Anfang steht, ist bereits absehbar, dass es über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben könnte. Denn es adressiert die zentrale Frage, wie lange eine Behörde passiv bleiben darf, ohne das Rechtsstaatsprinzip zu verletzen. Die Untätigkeitsklage als Rechtsbehelf gewinnt damit im Datenschutzkontext zunehmend an Bedeutung. Das gilt insbesondere für Beschwerdeführer, die jahrelang auf eine Entscheidung warten müssen.