Die europäische Debatte über die stark umstrittene Chatkontrolle wendet sich. Nachdem der letzte Vorschlag über eine anlasslose Chatkontrolle auf heftige Kritik gestoßen ist und letztlich nicht verabschiedet wurde, hat nun der dänische EU-Ratsvorsitz einen modifizierten Vorschlag zirkuliert. Der neue EU-Vorschlag spricht sich laut einer Mitteilung vom 30.10.2025 nun lediglich für eine freiwillige Chatkontrolle aus und stellt somit eine spürbare Entschärfung dar. Anstatt Kommunikationsdienste verpflichtend zur automatisierten und systematischen Durchleuchtung privater Inhalte zu verpflichten, soll diese Überwachung lediglich im Ermessen der Anbieter liegen.

Bisheriger Entwurf zur anlasslosen Chatkontrolle

Der erste Anlauf aus der vergangenen Legislaturperiode zur Neuregelung der Vorschriften gegen Kindesmissbrauch von 2022 stieß schon damals auf Wiederstand. So hatte das EU-Parlament im November 2023 sich klar gegen eine Massenüberwachung ausgesprochen. Auch der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) hatten sich über die Chatkontrolle im Februar 2024 kritisch geäußert. Trotzdem versuchte im April 2024 die damals noch belgische Ratspräsidentschaft eine Verabschiedung noch vor den Neuwahlen. Doch nach weiterer heftiger Kritik scheiterte auch dies.

Erst Mitte Oktober dieses Jahres legte dann die dänische EU-Ratspräsidentschaft, einen weiteren Entwurf für eine anlasslose Chatkontrolle auf die Tagesordnung des EU-Rats. Besonders umstrittene waren hierbei Aufdeckungsanordnungen im Zusammenhang mit Client-Side-Scanning, was Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen umgeht. Nach erneutem Widerstand durch die Politik und Datenschutzaufsichtsbehörden wurde auch dieser nicht verabschiedet.

Neuer entschärfter Vorschlag

Der dänische EU-Ratsvorsitz scheint die Botschaft nun endlich zumindest in ihren Grundzügen verstanden zu haben. Zumindest soll laut Euractiv der dänische Justizminister Peter Hummelgaard gegenüber der lokalen Presse geäußert haben, von der verpflichtenden Aufdeckungsanordnung Abstand zu nehmen. Hierfür soll ein Diskussionspapier bei den Vertretern der Mitgliedsstaaten zirkuliert worden sein. So solle das Stimmungsbild analysiert werden und abschließend ein geeigneter Kompromiss gefunden werden. Der neue EU-Vorschlag soll sich insofern nur noch für eine freiwillige Chatkontrolle aussprechen. Anbieter sollen selbst entscheiden können, ob entsprechende Scans durchgeführt werden.

Bisher positive Rückmeldungen

Laut LTO begrüßt Bundesjustizministerin Stefanie Hubig den Vorschlag. Sie erkläre, dass „vor allem […] die wichtigen, aktuell aber zeitlich begrenzten Möglichkeiten der Anbieter, sexuellen Missbrauch von Kindern freiwillig aufzudecken und zu melden, auf eine stabile und dauerhafte Grundlage gestellt“ werden.

Diese Freiwilligkeit wird auch von zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie etwa Patrick Breyer von der Piratenpartei, als bedeutender Schritt zur Wahrung sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bewertet, da Anbieter nicht zu Eingriffen in die Integrität ihrer Kommunikationsinfrastruktur gezwungen würden.

Weiterhin datenschutzrechtliche Bedenken

Allerdings bedeutet Freiwilligkeit nicht automatisch datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit, wie Breyer erklärt. Ein Anbieter, der sich für den Einsatz solcher Technologien entscheidet, würde weiterhin eine breit angelegte und im Kern wahllose Kommunikationsanalyse durchführen. Laut der EU-Kommission seien rund 75 % der Inhalte, die jährlich von den Chatkontrollalgorithmen identifiziert werden, nicht strafrechtlich relevant. Trotzdem würden diese dann auf unkontrollierte Weise „in die Hände Unbekannter gelangen“, wo sie nicht sicher seien.

Darüber hinaus sieht der Vorschlag vor, künftig die Nutzung anonymer E-Mail- oder Messenger-Dienste nur zu ermöglich, wenn bei Registrierung Ausweis oder Gesicht offengelegt werden. Dies würde laut Breyer nicht nur Nutzer betreffen, die ihre Privatsphäre schützen wollen, sondern auch journalistische Quellenkommunikation und politische Meinungsäußerung gefährden.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte, Louisa Specht-Riemenschneider, weist zudem bei Mastodon darauf hin, dass Berichtspflichten „Anreize für Diensteanbieter“ schaffen können „CSAM-Scanning als faktisch verpflichtend durchzuführen und Technologien zu verwenden, die die Vertraulichkeit der Kommunikation verletzen“. Im Übrigen bestehe das „Risiko von doppelten Meldestrukturen, die eine effektive Strafverfolgung behindern“.

Alternativ Vorschlag: Richterliche Anordnung

Das EU-Parlament hat einen im Vergleich hierzu grundrechtsschonenderen Ansatz vorgestellt. In dem Vorschlag plädiert es dafür, lediglich auf richterliche Anordnung bei Personen oder Gruppen, die eine Verbindung zu sexuellem Kindesmissbrauch haben, eine Überwachung durchzuführen.

Fazit

Der neue EU-Vorschlag für eine freiwillige Chatkontrolle ist im politischen Kontext erkennbar als Kompromissversuch zu verstehen. Er nimmt die Kritik an verpflichtenden Massenüberwachungsinstrumenten auf und versucht, digitale Sicherheit durch den Schutz starker Verschlüsselung zu bewahren. Gleichzeitig verbleiben zentrale Risiken, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Vertraulichkeit privater Kommunikation.

Die kommenden Verhandlungsrunden werden darüber entscheiden, ob ein rechtssicherer, verhältnismäßiger Ansatz zum Kinderschutz entwickelt werden kann oder ob die Diskussion erneut in einer Pattsituation endet. Insofern ist tatsächlich zu offen, wie Breyer richtig erkennt, dass der „Überwachungshunger“ nicht so groß ist, dass man sich erneut nicht abschließend einigen kann, und die sehr realen Opfer aufgrund des Fehlens einer funktionierenden Regelung weiter im Stich gelassen werden.