Bezahl-Abos ohne Werbung sind schon lange keine Neuigkeit mehr in der Online-Welt. Was zunächst als Modell einiger Medienhäuser begann, hat längst die sozialen Netzwerke erreicht. Seit Ende 2023 zwingt auch Meta Nutzer von Facebook und Instagram zur Wahl zwischen Tracking für personalisierte Werbung oder Bezahlung für eine werbefreie Nutzung. Die Datenschutzorganisation noyb hat in einem aktuellen Bericht vom 24.07.2025 die ökonomischen Argumente für dieses Modell untersucht und über die Kosten von „Pay or Okay“ aufgeklärt. Nach ihrer Auswertung sei die behauptete wirtschaftliche Notwendigkeit vorgeschoben, während der Kern des europäischen Einwilligungsrechts untergraben werde.
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Die Wurzeln des Modells liegen im Onlinejournalismus. Nachrichtenseiten suchten nach Wegen, die oftmals niedrigen Einwilligungsraten bei Cookie-Bannern zu erhöhen. Das Lesen von Artikeln ohne Tracking war Nutzern nur noch gegen Bezahlung möglich. Mit der Übernahme dieses Konzepts durch Meta hat das System eine neue Dimension erreicht. Das war die Antwort des Konzerns auf das EuGH-Urteil vom Juli 2023, das seine Datenverarbeitungspraxis für unzulässig erklärte. Anstatt das Einwilligungsmodell anzupassen, wurde die Zahlungspflicht als Ausweichlösung etabliert. Das Vorgehen findet mittlerweile auf breiter Front Nachahmer. Trotzdem gibt es bislang keine einheitliche Linie der europäischen Datenschutzbehörden zum Umgang mit solchen Abo-Modellen.
Metas „Pay or Okay“
Schon seit November 2023 stellt Meta seine Instagram- und Facebook-Nutzer vor die Wahl. Sie können sich entweder für ein teures Bezahl-Abo entscheiden oder dem Dienst kostenlos mit personalisierter Werbung zustimmen. Verschiedene Experten haben bereits unmittelbar danach Zweifel an der Rechtmäßigkeit geäußert. Noyb sah hierin sogar eine erzwungene Einwilligung und hat deshalb bereits zwei Beschwerde eingereicht. Im April 2024 folgte eine Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) auf Anträge von Datenschutzbehörden.
Die EU-Kommission hat zudem im März 2024, nachdem sie Meta zur Bereitstellung weiterer Informationen aufgefordert hatte, ein Verfahren nach dem DMA eingeleitet. Im Juli 2024 stellte sie dann vorläufig fest, dass Metas “Pay or Okay”-Werbemodell gegen den DMA verstößt. Im April dieses Jahres hat die EU-Kommission den Verstoß dann abschließend festgestellt und eine Strafe nach dem Digital Markets Act gegen Meta wegen des Abo-Modells in Höhe von 200 Millionen Euro verhängt.
Wirtschaftliche Argumente auf dem Prüfstand
Befürworter des Modells würden sich auf die angebliche wirtschaftliche Notwendigkeit von Bezahl-Abos, insbesondere zur Finanzierung von Qualitätsjournalismus, stützen. Doch die Zahlen sprechen laut noybs Pressemitteilung eine andere Sprache. Digitale Werbung mache nur rund zehn Prozent der Einnahmen von Presseunternehmen aus, personalisierte Werbung mit fünf Prozent noch deutlich weniger. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeige zudem, dass Verlage mit Tracking durchschnittlich lediglich 24 Cent pro Nutzer im Monat verdienen würden. Demgegenüber würden die Medienunternehmen mit der Bezahloption im Schnitt 3,24 Euro erwirtschaften. Der Effekt von „Pay or Okay“ auf die Gesamteinnahmen bleibe außerdem marginal, mit durchschnittlich lediglich rund 0,82 Prozent Zuwachs. Ein solches Modell sei daher kaum geeignet, die strukturellen Probleme der Medienbranche zu lösen.
Manipulierte Einwilligung statt freier Wahl
Die größte Auswirkung von „Pay or Okay“ sei also nicht die Rettung der Medienbranche, sondern die Entschärfung des europäischen DSGVO-Erfordernisses der freiwilligen Einwilligung. Während Umfragen belegen würden, dass nur ein Bruchteil der Nutzer bereit zum Tracking ist, würden die Bezahl-Modelle Zustimmungsraten von bis zu 99,9 Prozent erreichen. Diese Diskrepanz zeige laut des Berichts deutlich, dass es sich nicht um eine echte freiwillige Entscheidung, sondern um ein erzwungenes Ergebnis handele.
Offene Flanken für Aufsichtsbehörden
Die europäische Datenschutzlandschaft ist bei diesem Thema bislang uneinheitlich. Zwar erkennen viele Aufsichtsbehörden die Problematik, doch fehlt es an einem abgestimmten Vorgehen. Noyb weist zu Recht darauf hin, dass eine einheitliche Linie längst überfällig ist. Mit neuen Leitlinien des EDSA könnte eine entscheidende und notwendige Klarstellung erfolgen. Für Unternehmen bedeutet das, dass wer auf „Pay or Okay“ setzt, sich aktuell auf rechtlich unsicherem Terrain bewegt.
Fazit
Der noyb-Bericht über die Kosten von „Pay or Okay“ zeigt, die Risiken entsprechender Systeme. Das Modell stellt den Kern des europäischen Datenschutzrechts in Frage und setzt Unternehmen einem rechtlichen Risiko aus. Jedenfalls für die Finanzierung von Qualitätsmedien scheint es keine tragfähige Grundlage zu sein. Unternehmen sollten sich bewusst machen, dass eine vermeintlich elegante Lösung datenschutzrechtliche Risiken mit sich bringt, die in Bußgeldern durch Behörden enden können.