Widerstand gegen Vorhaben zur Chatkontrolle

Die geplante EU-Verordnung zur sogenannten Chatkontrolle sorgt erneut für heftige Kritik. Deshalb hat die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern (DSK) die Bundesregierung am 08.10.2025 aufgefordert, am Widerstand gegen das Vorhaben zur Chatkontrolle festzuhalten und eine anlasslose Überwachung privater Kommunikation weiterhin entschieden abzulehnen. Auch die Bundesregierung sowie Bürgerrechtsorganisationen haben sich ähnlich geäußert.

Bisherige gesetzgeberische Initiativen

Bisher gilt noch die erste Verordnung zur Chatkontrolle. Nach dieser dürfen Plattformen auf freiwilliger Basis Inhalte von Nutzern auf Kindesmissbrauchsdarstellungen untersuchen. Auslöser der aktuellen Debatte ist nun die Entscheidung der dänischen EU-Ratspräsidentschaft, einen neuen Entwurf auf die Tagesordnung des EU-Rats am 14.10.2025 zu setzen.

Der erste Anlauf aus der vergangenen Legislaturperiode zur Neuregelung der Vorschriften gegen Kindesmissbrauch von 2022 stieß schon damals auf Wiederstand. So hatte das EU-Parlament im November 2023 sich klar gegen eine Massenüberwachung ausgesprochen. Auch der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) hatten sich über die Chatkontrolle im Februar 2024 kritisch geäußert. Trotzdem probierte im April 2024 die damalige belgische Ratspräsidentschaft einen Entwurf von März 2024 noch vor den Neuwahlen zu verabschieden. Doch nach weiterer heftiger Kritik scheiterte auch dieser an einer endgültigen Beschließung.

Dänische Ratspräsidentschaft bringt Chatkontrolle zurück auf den Tisch

Kernpunkt der erneuten Einführung sind unteranderem hoch umstrittene Aufdeckungsanordnungen. Diese würden Anbieter verpflichten, private Chats automatisiert nach Hinweisen auf Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs zu durchsuchen. Besonders fragwürdig ist in diesem Zusammenhang auch das Client-Side-Scanning. Diese Technik erlaubt es, Nachrichten bereits auf den Endgeräten der Nutzer zu analysieren, bevor sie verschlüsselt versendet werden. Dies würde die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung umgehen.

Datenschutzaufsicht warnt: Privatsphäre darf nicht geopfert werden

Die Vorsitzende der DSK und Berliner Datenschutzbeauftragte, Meike Kamp, betonte im Namen der DSK, dass eine solche Regelung die Grundrechte der Bürger massiv verletzen würde. Eine anlasslose Massenüberwachung stelle alle Menschen in der EU unter Generalverdacht und sei unverhältnismäßig. Die geplante Chatkontrolle gefährde nach Einschätzung der Datenschutzbehörden nicht nur die individuelle Privatsphäre, sondern die Grundlagen sicherer Kommunikation insgesamt.

Wenn staatliche oder private Akteure befugt werden, verschlüsselte Kommunikation schon vor dem Versand zu durchsuchen, sei die Vertraulichkeit digitaler Kommunikation nicht mehr gewährleistet. Damit würde ein Instrument, das dem Schutz von Kindern dienen soll, selbst neue Sicherheitsrisiken schaffen. Deshalb fordert die DSK in ihrer Pressemitteilung (abrufbar hier) die Bundesregierung auf, weiter Widerstand gegen das Vorhaben zur Chatkontrolle zu leisten und den Entwurf abzulehnen.

Marit Hansen, Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein, fügt dem in ihrer Pressemitteilung hinzu, dass die technische Umsetzung der Chatkontrolle „eine Hintertür [bedeutet], die den Weg in die Überwachung sämtlicher Inhalte eröffnet“. Betina Gayk, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW zeigt sich in ihrer Pressemitteilung erschrocken über das neue Aufkommen der Debatte. Zur Verdeutlichung der Gefahr für die freiheitliche Demokratie zieht sie folgenden Vergleich: „Säßen in den Postfilialen Personen, die vorsorglich alle Briefe öffnen dürften, um mal nachzusehen, ob da Hinweise auf schwere Straftaten zu finden sind, oder würden sich staatliche Stellen anlasslos auf Telefonate zuschalten dürfen, wäre recht anschaulich, dass wir es mit einem autoritären Staat zu tun haben dürften.“ Zuletzt meint Sebastian Schmidt, der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern in seiner Pressemitteilung, dass die massenhafte Überwachung der Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger […] mit einer demokratischen und wehrhaften Gesellschaft unvereinbar“ ist.

Äußerungen der Politik

In den vorausgegangenen Tagen hatten sich auch schon verschiedene Bürgerrechtsorganisationen klar gegen die Chatkontrolle positioniert. Die Bundesregierung verkündete dann ebenfalls am 08.10.2025 in der Bundespressekonferenz, dass auch sie sich gegen die „anlasslose Chatkontrolle“ stellen wolle. Dem war bereits eine Äußerung von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) vorausgegangen, die eine solche Überwachung als „tabu“ erklärte. Sie meint, dass „auch die schlimmsten Verbrechen […] keine Preisgabe elementarer Bürgerrechte“ rechtfertigen.

Auswirkung auf die Ratsabstimmung

Die für den 14.10.2025 geplante Ratsabstimmung in Brüssel wird bei fehlender Zustimmung der Bundesregierung voraussichtlich keine Mehrheit erreichen, denn als bevölkerungsreichstes Land der EU ist Deutschland Teil einer Sperrminirität. Allerdings bleibt abzuwarten, wie die finale Abstimmung verlaufen wird.

Insofern weise Sprecherin des Chaos Cumputer Clubs, Elina Eickstädt, laut netzpolitik.org darauf hin, dass der Begriff des anlasslosen Scannes unterschiedlich gedeutet werden könne. Deshalb könne es sich um einen juristischen Trick handeln, um schlussendlich doch „Client-Side-Scannings“ einzubauen und dieses bei Anlass zu verwenden. Um den Aussagen der Bundesregierung Nachdruck zu verleihen und eine Ablehnung in Brüssel zu erreichen haben Grüne und Linke nun Anträge gestellt, die eine eindeutige Positionierung gegen die geplante Überwachung fordern.

Fazit

Die erneute Initiative zur Chatkontrolle zeigt, dass der politische Druck zur umfassenden Kommunikationsüberwachung anhält. Doch die klare Position der Datenschutzaufsichtsbehörden, den Widerstand gegen das Vorhaben zur Chatkontrolle aufrecht zu erhalten, setzt ein wichtiges Gegengewicht, dass sich schlussendlich auch in der Entscheidung der Bundesregierung widerspiegelt. Ein Europa, das die Privatsphäre seiner Bürger schützt, darf keine Infrastruktur schaffen, die flächendeckende Überwachung technisch ermöglicht. An diesem Beispiel hat sich anschaulich gezeigt, wie eine funktionierende Demokratie die Rechte von Bürgern schützen kann.