Die digitale Wirtschaft lebt von Daten und von Geschäftsmodellen, die auf deren Nutzung beruhen. Immer häufiger bezahlen Verbraucher nicht mit Geld, sondern mit Informationen über sich selbst. Diese sogenannte Bezahlung mit Daten ist laut einer Entscheidung des OLG Stuttgart vom 29.09.2025 (6 UKI 2/25) keine Geldleistung und löst deshalb auch keine Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 5 Einführungsgesetz BGB (EGBGB) aus. Deshalb sei auch weiterhin eine Bewerbung als „kostenlos“ zulässig.
Geschäftsmodell: Datenverarbeitung
Was heute als kostenlos erscheint, ist in Wahrheit selten tatsächlich völlig umsonst. Apps, Rabattprogramme oder digitale Inhalte werden häufig gegen die Preisgabe persönlicher Daten angeboten. Unternehmen werten diese Informationen aus, um Profile zu erstellen, personalisierte Werbung zu schalten oder Marktforschung zu betreiben. Wirtschaftlich gesehen können die gesammelten Daten deshalb einen enormen Wert haben. Das zeigt sich auch dadurch, dass viele Anbieter ihre Online-Dienste nur noch im Rahmen von Pay or Okay bereitstellen. Das heißt, entweder zahlen die Nutzer mit ihren Daten oder mittels Geldes durch ein Abo-Modell. Ob es sich aber deshalb auch aus rechtlicher Sicht bei der Abgabe von Daten um eine Gegenleistung handelt, die mit einer Geldleistung gleichzustellen ist, ist bislang nicht abschließend geklärt.
Ist die Zustimmung zur Verarbeitung von Daten eine Geldleistung?
Diese Frage ist relevant, um zu beantworten, ob für den datenschutzrechtlich Verantwortlichen weitere Pflichten bestehen. Die EU hat mit der Richtlinie (EU) 2019/770 zur Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen versucht, die Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu harmonisieren. Insofern schreibt die deutsche Umsetzungsnorm § 312d BGB vor, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen der Unternehmer verpflichtet ist, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Hiernach muss insbesondere eine Information über den Gesamtpreis der Waren oder der Dienstleistungen, einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis auf Grund der Beschaffenheit der Waren oder der Dienstleistungen vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung erfolgen.
Treue-Programm von Lidl
Das jetzt entschiedene Verfahren vor dem OLG Stuttgart betraf das Bonusprogramm „Lidl Plus“. Die Teilnahme erfolgt über eine App, für die Nutzer persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und E-Mail-Adresse preisgeben müssen. Im Gegenzug erhalten sie Rabatte und personalisierte Angebote. Die Teilnahmebedingungen beschreiben die Nutzung als „kostenlos“, gleichzeitig aber auch die detaillierte Datenverarbeitung.
Ein Verbraucherschutzverband sah darin eine Irreführung. Die Bereitstellung personenbezogener Daten sei eine Gegenleistung und damit ein Preis im Sinne der Informationspflichten nach Art. 246a Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. Unternehmen dürften ihre Angebote daher nicht als „kostenlos“ bewerben, wenn sie Daten als Entgelt verlangten. Lidl wies die Vorwürfe zurück und argumentierte, dass die Datenverarbeitung allein der Vertragserfüllung diene und kein Geldbetrag verlangt werde. Außerdem seien die Informationspflichten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für Daten abschließend. Infolgedessen erhob der Verbraucherschutzverband Klage und verlangte die Unterlassung der Bewerbung als „kostenlos“.
OLG Stuttgart: Daten Preisgabe ist kein Preis im Rechtssinne
Das OLG Stuttgart folgte der Argumentation des Unternehmens. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei personenbezogenen Daten nicht um eine Geldleistung im Sinne der maßgeblichen verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften. Vielmehr sei der Begriff „Preis“ eng auszulegen und umfasse ausschließlich Geldbeträge oder digitale Entsprechungen von Werten.
Die Bereitstellung von Daten sei zwar wirtschaftlich relevant, rechtlich aber anders zu behandeln. Die europäischen Richtlinien und die nationale Umsetzung würden ausdrücklich zwischen Zahlungen in Geld und der Überlassung personenbezogener Daten unterscheiden. Die Informationspflichten im Zusammenhang mit Datenverarbeitungen seien abschließend in der DSGVO geregelt.
Keine irreführende Bezeichnung
Auch eine Irreführung von Verbrauchern verneinte das Gericht. Diese würden nicht darüber getäuscht, dass die Teilnahme am Programm kein Geld kostet. Der Umstand, dass personenbezogene Daten verarbeitet werden, sei den Nutzern bekannt und werde in den Vertragsbedingungen transparent erklärt. Auch eine Pflicht zur Offenlegung eines „Gesamtpreises“, der auch den Wert der Daten umfasst, bestehe nicht. Entscheidend sei allein, dass keine versteckten Geldkosten entstünden und die Datenverarbeitung klar kommuniziert werde. Insofern handle es sich auch nicht um versteckte Kosten im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).
Hohe Anforderungen bei datengestützten Geschäftsmodellen
Das Urteil bedeutet jedoch keineswegs, dass Unternehmen, die Daten als Entgelt akzeptieren, rechtlich im Freiraum agieren. Im Gegenteil unterliegen sie den strengen Vorgaben der Digitalgesetzgebung.
Entscheidend ist, dass die Datenerhebung und -verarbeitung auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruht. Das kann eine freiwillige Einwilligung sein. Insbesondere im Zusammenhang mit Abo-Modellen gibt es aktuell noch verschiedene Unsicherheiten. Erst im Frühjahr diesen Jahres hatte die EU-Kommission ein Bußgeld nach dem Digital Markets Act (DMA) gegen Metas „Pay or Okay“-Modell verhängt. Im Mittelpunkt stand der Vorwurf der Missachtung des Merkmals der Freiwilligkeit. Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht wird das Vorliegen von Freiwilligkeit in solchen Fällen bezweifelt.
Unternehmen müssen daneben ihre Nutzer umfassend über die Art, den Zweck und den Umfang der Datenverarbeitung informieren, insbesondere bei personalisierter Werbung oder Tracking. Zudem gilt das Widerrufsrecht der Einwilligung, und nach Beendigung des Vertrags sind Löschkonzepte umzusetzen. Auch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen sind zwingend erforderlich.
Fazit
Das Urteil des OLG Stuttgart, nach dem die Bezahlung mit Daten keine Geldleistung ist, schafft bis zu einem gewissen Maß Rechtssicherheit für Unternehmen, die auf vergleichbare Geschäftsmodelle setzen. Es bestätigt die klare Trennung zwischen verbraucherrechtlichen Preisangaben und datenschutzrechtlichen Informationspflichten. Trotzdem bestehen weiterhin eine Vielzahl an datenschutzrechtlichen Pflichten, bei deren Umsetzung Externe Datenschutzbeauftragte unterstützen können.