Eine Allianz führender Medien- und Digitalverbände unter Leitung von Corint Media hat bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) Beschwerde gegen Googles KI-Dienst „AI Overviews“ eingereicht. Der Vorwurf: Google verstoße gegen zentrale Vorgaben des Digital Services Act (DSA) und gefährde damit Medienvielfalt und demokratische Informationsstrukturen.
DSA, DDG und die Plattformaufsicht durch die BNetzA
Der Digital Services Act ist seit dem 17. Februar 2024 unmittelbar in der EU anwendbar und hat das Ziel, das Internet sicherer, fairer und transparenter zu gestalten. Der DSA setzt einheitliche Standards für den Schutz vor illegalen Inhalten wie Hass und Hetze, Desinformation sowie vor illegalen Produkten bei Online-Diensten. Zu diesen Online-Diensten zählen u.a. Plattformen, soziale Medien, Suchmaschinen, App-Stores, Buchungsportale, Jobbörsen oder Cloud-Dienste.
Das Gesetz über digitale Dienste (DDG) trat am 14. Mai 2024 in Kraft und übertrug der Bundesnetzagentur die Rolle des zentralen Digital Services Coordinators (DSC) für Deutschland. Der DSC überwacht die Einhaltung der DSA-Regeln durch Online-Dienste. Zu den zentralen DSA-Zielen gehört die Schaffung eines nachvollziehbaren Melde- und Abhilfeverfahrens gegen rechtswidrige Inhalte und der Schutz der Grundrechte der User. Der DSC nimmt Beschwerden entgegen, wenn beispielsweise Meldeverfahren für illegale Inhalte nicht funktionieren oder Entscheidungen über Content-Löschung nicht nachvollziehbar begründet werden. Bei regelmäßigen und systematischen Verstößen gegen den DSA können dem betreffenden Unternehmen Bußgelder in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes drohen.
Beschwerde gegen Googles KI- Zusammenfassungen
Die Verwertungsgesellschaft Corint Media, hat auf Grundlage desd DAS eine formelle Beschwerde bei der BNetzA gegen den Googles Dienst AI Overviews eingelegt. Dieser auch Übersicht mit KI genannte Dienst, liefert KI-generierte Antworten auf Suchanfragen, die direkt in der Google-Suchergebnisliste angezeigt werden. Die Beschwerde konzentriert sich auf die negativen Auswirkungen der KI-Funktion auf unabhängige Inhalteanbieter und die Einhaltung der Transparenzpflichten des DSA. Die Beschwerdeführer sehen durch AI Overviews gravierende Folgen für die Medienvielfalt, die Meinungsfreiheit und den demokratischen Diskurs.
Reichweitenentzug für unabhängige Medien
In ihrer Pressemitteilung kritisiert Corint Media die Grundlage dieser KI-Zusammenfassungen scharf. Zum einen schaffe Google mit den AI Overviews ein Konkurrenzprodukt zu journalistisch-redaktionellen Inhalten. Denn Nutzer erhielten damit Antworten direkt in der Suchergebnisliste, ohne die Originalquellen aufrufen zu müssen. Dies entziehe Medienhäusern Reichweite und Werbeeinnahmen und gefährde ihre Refinanzierung. Daniela Beaujean, Geschäftsführerin des VAUNET – Verband Privater Medien, bezeichnete Google als „Traffic-Killer“. Die KI-Antworten werden vor den Inhalten Dritter platziert und reduziere somit die Auffindbarkeit unabhängiger und demokratierelevanter privater Medien.
Zudem würden die Zusammenfassungen auf ebenjenen Inhalten basieren, welche die Medienhäuser mühsam produzieren. Corint Media Geschäftsführerin Dr. Christine Jury-Fischer bemängelt, dass viele Digitalplattformen eine Strategie der Verdrängung verfolgen würden. Dabei werden Inhalte abgesaugt, neu vermengt und als eigene, monetarisierte Angebote ausgegeben, wodurch originäre Nachrichteninhalte substituiert werden würden. Sie sieht hierin den Versuch Googles, die eigene Machtposition zu festigen und konkurrierende Angebote zurückzudrängen.
Intransparenz und Fehlinformationen
Ein weiterer zentraler Vorwurf betrifft die Intransparenz und Fehlinformationen. Die von Google generierten Antworten stützen sich laut Corint Media auf ein proprietäres Modell, dessen Funktionsweise intransparent sei. Die Allianz sieht dies in direktem Widerspruch zu den Zielen des DSA, da Untersuchungen gezeigt hätten, dass KI wiederholt fehlerhafte oder erfundene Inhalte verbreitet. Als relevante Plattform für die Informations- und Inhaltevermittlung sei Google aufgefordert, diesen Risiken, der Intransparenz und der Verbreitung von Fehlinformationen entgegenzuwirken.
Auch US-Verlag klagt gegen Google
In ähnlicher Argumentation klagte erst eine Woche zuvor ein US-Verlag in Washington D.C. gegen Google. Laut der Klageschrift habe es eine langjährige Vereinbarung zwischen Suchmaschinen wie Google und Verlagen gegeben. Danach haben Verlage ihre Inhalte zum Indexieren freigeben und im Gegenzug durch die Sichtbarkeit Besucher erhalten. Dieses Modell habe die wirtschaftliche Grundlage des freien Internets gebildet. Nun stelle Google jedoch zusätzliche Bedingungen, die Verlage zwingen, Inhalte auch für konkurrierende Dienste wie AI Overview bereitzustellen, was ihre Reichweite und Einnahmen beeinträchtige.
250 Mio. Euro Bußgeld gegen Google
Ein weiteres Beispiel für die Auseinandersetzung mit Googles KI-Praktiken liefert eine Entscheidung der französischen Wettbewerbsbehörde. Die französische Autorité de la concurrence verhängte im März 2024 eine Strafe von 250 Millionen Euro gegen Google. Das Unternehmen habe Inhalte von Presseagenturen und Verlagen ohne deren Zustimmung zum Training seines KI-Modells Gemini genutzt. Darüber habe Google weder die Betroffenen informiert noch eine Opt-out-Möglichkeit angeboten, ohne deren Sichtbarkeit auf anderen Google-Diensten zu beeinträchtigen. Die Behörde wertete dies als Verstoß gegen Transparenzpflichten und unterstrich damit die Notwendigkeit einer fairen Vergütung journalistischer Inhalte im KI-Zeitalter.
Fazit
Die Beschwerde von Corint Media gegen Googles AI Overviews unterstreicht die wachsende Bedeutung des DSA für das gesamte digitale Wirtschaftsgefüge und die Notwendigkeit robuster Compliance-Strukturen. Die Anschuldigungen verdeutlichen für Unternehmen, die selbst wertvolle (journalistische) Inhalte im Internet publizieren, das Risiko der KI-bedingten Entwertung. Content-Eigentümer sollten daher dringend klären, wie sie unter der aktuellen KI-Entwicklung die Nutzung ihrer Daten für das KI-Training durch große Plattformen lizenzrechtlich und technisch kontrollieren können. Zugleich ist der DSA eng mit den Vorschriften der DSGVO verzahnt. Wie diese Doppelperspektive in der Compliance-Struktur mitgedacht werden kann, zeigt eine aktuelle EDSA-Leitlinie.