Die Frage, ob Arbeitgeber beim Angebot betrieblicher E-Mail-Postfächer auch für private Zwecke als Anbieter von Telekommunikationsdiensten gelten, beschäftigt seit Jahren Behörden, Juristen und Unternehmen. Lange Zeit überwog, mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen für Arbeitgeber, die Auffassung der Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK), dass in solchen Fällen das Fernmeldegeheimnis Anwendung findet. Nun deutet sich jedoch ein Paradigmenwechsel an. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat ihre aktuelle Sichtweise von Juli 2025 zum Fernmeldegeheimnis bei privaten E-Mails im Betrieb veröffentlicht und damit die bisherige Position der DSK in Frage gestellt. Für Unternehmen eröffnet dies neue Spielräume, bedeutet aber keinesfalls einen Freibrief zur uneingeschränkten Kontrolle von Mitarbeiterkommunikation.
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Während einige Landesarbeitsgerichte schon die Meinung vertreten haben, dass Arbeitgeber keine Telekommunikationsanbieter sind, ging die DSK bislang davon aus, dass Arbeitgeber, die die private Nutzung von betrieblichen E-Mails oder Internetzugängen gestatten oder zumindest dulden, als solche einzustufen seien. Die Folge wäre die Anwendung des Fernmeldegeheimnisses auf die private Kommunikation. Arbeitgeber dürften in diesem Fall entsprechende Inhalte der Beschäftigten nicht überwachen oder einsehen. Eine Missachtung könnte sogar eine strafbare Handlung nach § 206 Strafgesetzbuch (StGB) darstellen.
Diese Einordnung führte in der Praxis zu großer Rechtsunsicherheit und einer weitreichenden Zurückhaltung beim Umgang mit E-Mail-Konten, die auch privat genutzt werden durften. Insbesondere stellt sich für Arbeitgeber die Herausforderung die Unterscheidung zwischen privaten und betrieblichen E-Mails vorzunehmen, um wenigstens letztere überprüfen zu können. In der Praxis führt dies oft zu einem generellen Verbot der privaten Nutzung entsprechender Angebote.
Neue Bewertung durch die Bundesnetzagentur
Die BNetzA hat in einem aktuellen Hinweispapier klargestellt, dass sie die Lage anders beurteilt. Nach ihrer Ansicht sind Arbeitgeber in diesen Konstellationen nicht als Anbieter von Telekommunikationsdiensten einzustufen. Begründet wird dies damit, dass Telekommunikationsdienste im Gesetz typischerweise als „gegen Entgelt erbracht“ verstanden würden. Die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs durch den Arbeitgeber sei hingegen kein eigenständiges wirtschaftliches Geschäft, sondern vielmehr ein Arbeitsmittel. Auch wenn eine private Verwendung ausnahmsweise gestattet ist, fehle es an der Absicht von Arbeitgebern wirtschaftliche Vorteile durch die Bereitstellung zu erzielen. Arbeitgeber würden damit keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen. Folglich greife das Fernmeldegeheimnis nach dieser Auslegung nicht.
Konsequenzen für Unternehmen
Für Arbeitgeber bedeutet diese Neubewertung, dass sie sich nicht mehr dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Verstößen gegen das Fernmeldegeheimnis ausgesetzt sehen könnten, wenn sie betriebliche E-Mail-Postfächer oder Internetverhalten unter datenschutzrechtlichen Maßgaben prüfen oder kontrollieren. Statt der strengen Vorschriften des Fernmeldegeheimnisses würden dann lediglich die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gelten. Das bedeutet, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten auch im Rahmen interner Kontrollen nur auf einer tragfähigen Rechtsgrundlageerfolgen darf und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Heimliche Einsichtnahmen ohne Anlass oder pauschale Überwachungen bleiben in der Regel unzulässig. Unternehmen müssen zudem Informationspflichten und Betroffenenrechte beachten.
Rechtsauffassungstrend
Es ist insbesondere aber anzumerken, dass es sich hierbei lediglich um eine abweichende Rechtsauffassung und nicht um eine höchstrichterliche Rechtsprechung handelt. Insofern ist weiterhin Vorsicht geboten.
Für einen allgemeinen Wandel der Rechtssauffassung und damit auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für entsprechende Gerichtsurteile spricht aber, dass sich bei einigen Datenschutzbehörden ein entsprechender Trend zeigt. So hatten beispielsweise der hessische Datenschutzbeauftragte bereits in Tätigkeitsbericht 2022 betont, dass das Fernmeldegeheimnis bei der privaten E-Mail-Nutzung durch Arbeitnehmer nicht einschlägig sei.
Die DSK als Gremium hat sich bislang nicht erneut zu dieser Frage positioniert, sodass noch keine einheitliche Linie aller Aufsichtsbehörden besteht. Für Unternehmen bleibt damit eine gewisse Unsicherheit, auch wenn die logische Argumentationslinie der BNetzA das Gewicht einer zentralen Regulierungsbehörde in die Waagschale wirft.
Fazit
Die neue Position der BNetzA, dass das Fernmeldegeheimnis bei privaten E-Mails im Betrieb nicht gilt, ist für Arbeitgeber in mehrfacher Hinsicht entlastend. Sie reduziert die Gefahr strafrechtlicher Konsequenzen und schafft größere Handlungssicherheit im Umgang mit dienstlichen E-Mail-Konten, die auch privat genutzt werden dürfen. Gleichzeitig sollten Unternehmen jedoch nicht den Fehler machen, den Schutz von Mitarbeiterdaten zu unterschätzen. Auch wenn das Fernmeldegeheimnis nicht mehr greifen sollte, sind datenschutzrechtliche Vorgaben weiterhin strikt einzuhalten. Die DSGVO setzt klare Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, und gerade bei Eingriffen in die private Kommunikation der Beschäftigten ist ein sensibler und verhältnismäßiger Umgang zwingend.