Die Bundesregierung plant im Rahmen ihres neuen Sicherheitspakets eine weitreichende Erweiterung polizeilicher Befugnisse, die datenschutzrechtlich bedenklich ist. Vorgesehen ist unter anderem, dass Bundeskriminalamt, Bundespolizei und weitere Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) künftig öffentliche Internetdaten mit biometrischen Verfahren, insbesondere der Gesichtserkennung, auswerten dürfen. Ziel ist es, Personen anhand von Fotos, Videos, Stimmen oder Bewegungsmustern zu identifizieren. Das vorgestellte Sicherheitspaket stößt auf scharfe datenschutzrechtliche Kritik in einem am 08.08.2025 veröffentlichten Brief verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Weiterlesen: Sicherheitspaket und datenschutzrechtliche KritikAusweitung der biometrischen Überwachung im öffentlichen Internet
Der Kern des Vorhabens des Bundesinnenministeriums liegt darin, dass bestimmte Behörden künftig das öffentliche Internet automatisiert durchsuchen und biometrische Daten von Personen mit Datenbanken abgleichen dürfen. Dies soll nicht nur potenzielle Straftäter, sondern auch Opfer und Zeugen, betreffen, deren personenbezogene Daten so ungefiltert in Überwachungsmaßnahmen einbezogen werden könnten. Neben sozialen Medien wie Instagram sollen auch offene Chatgruppen in die polizeiliche Suche einbezogen werden. Das BAMF plant, die biometrische Suche zudem für die Identitätsprüfung im Asylverfahren zu nutzen. Die Analyse soll unteranderem mittels des Einsatzes von künstlicher Intelligenz erfolgen.
Diese Pläne markieren eine deutliche Ausweitung der staatlichen Überwachungsmöglichkeiten, da bislang biometrische Daten in der Regel nur in engeren, streng kontrollierten Kontexten verwendet werden durften. Die in den von netzpolitik.org veröffentlichten Entwürfen (1. Entwurf, 2. Entwurf) vorgeschlagene Praxis könnte dazu führen, dass nahezu jede Person mit einem Online-Foto oder Video im Internet potenziell Ziel biometrischer Erkennung wird, und zwar unabhängig davon, ob ein konkreter Verdacht besteht.
Kritik aus der Zivilgesellschaft
Zivilgesellschaftliche Organisationen wie D64, AlgorithmWatch, der Chaos Computer Club (CCC) und Amnesty International Deutschland haben sich in einem gemeinsamen Appell gegen das Sicherheitspaket ausgesprochen. Sie warnen vor der Einrichtung einer „Gesichtsdatenbank aller Bürgerinnen und Bürger“, die massive Grundrechtsverletzungen mit sich bringen würde. Die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seien durch derartige Massenüberwachung gefährdet. Besonders problematisch sei, dass Familienfotos, Party-Selfies oder Bilder, auf denen Personen nur zufällig im Hintergrund zu sehen sind, ohne ihr Wissen und ohne spezifischen Verdacht verarbeitet werden könnten. Das geplante Vorhaben könne dazu führen, dass Menschen einen Online-Auftritt vollständig unterlassen und auch nicht mehr an Veranstaltungen teilnehmen, wo entsprechende Aufnahmen angefertigt und hochgeladen werden könnten.
Big Data und intransparente Algorithmen
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Nutzung automatisierter Datenanalysen und Big-Data-Systeme. Das Bundesinnenministerium plant, polizeiliche Datenbanken zusammenzuführen und durch Software, auch von Drittanbietern wie Palantir, automatisiert auswerten zu lassen. Palantir ist besonders umstritten, da das Unternehmen nicht nur verschlossene Quellcodes verwendet, sondern auch politisch umstrittene Verbindungen besitzt. Der Einsatz solcher KI-Systeme ohne nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen birgt erhebliche Gefahren, insbesondere für marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die durch algorithmische Diskriminierung besonders betroffen sein können. Außerdem seien auch hier neben Tatverdächtigen auch Opfer und Zeugen betroffen. Die Nutzung solcher Systeme untergrabe die digitale Unabhängigkeit Deutschlands und werfe fundamentale Fragen zur demokratischen Kontrolle über Polizeiarbeit und Überwachungstechnologien auf.
Allgemeine verfassungsrechtliche Bedenken
Die Kritik am Sicherheitspaket und den geplanten Überwachungsmaßnahmen geht über datenschutzrechtliche Aspekte hinaus. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen sehen die Maßnahmen insgesamt für die erwünschten Erfolge als unverhältnismäßig an. Die Bundesregierung wird aufgefordert, rechtsstaatliche Prinzipien und europäische Vorgaben strikt zu beachten und Überwachungsmaßnahmen nicht an der Grenze oder gar außerhalb der Verfassungsmäßigkeit zu gestalten. Insbesondere aufgrund wachsender rechtsextremer Bewegungen und gesellschaftlicher Polarisierung müsse die Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten sorgfältig gewahrt werden. Die Schaffung einer umfassenden Überwachungsinfrastruktur berge hingegen die Gefahr des Machtmissbrauchs.
Nächste Schritte
Der Gesetzgebungsprozess befindet sich noch in der Anfangsphase. Bisher hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt lediglich die Entwürfe zur Vorbestimmung an die rechtlichen Minister gesendet. Erst nach der darauffolgenden Ressortabstimmung und Beteilung der Länder und Verbände, kann das Kabinett einen Entwurf beschließen. Dieser wird im Anschluss für das weitere Gesetzgebungsverfahren an den Bundestag geleitet.
Fazit
Das geplante Sicherheitspaket eröffnet weitreichende Befugnisse zur biometrischen Überwachung, die vor allem rechtlich und gesellschaftlich hoch problematisch sind. Die Risiken einer flächendeckenden Massenüberwachung, der Einsatz undurchsichtiger KI-Algorithmen sowie die grundrechtlichen Gefahren sind erheblich. Die kritische Stellungnahme der Zivilgesellschaft sollte von Politik und Verwaltung ernst genommen werden, um einen gesellschaftlichen Diskurs über die Grenzen von Überwachung und die Bedeutung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten zu fördern.